Die Dranginkontinenz ist durch ein starkes Harndranggefühl im Zusammenhang mit unwillkürlichem Urinverlust gekennzeichnet. Bei der überaktiven Blase kommt es dagegen nicht unbedingt zu einem Urinverlust. Patienten mit einer überaktiven Blase oder Dranginkontinenz haben außerdem eine erhöhte Frequenz des Wasserlassens (mehr als acht Mal pro Tag), wobei häufig nur kleine Urinmengen ausgeschieden werden.
Bei einer Dranginkontinenz oder überaktiven Blase liegt in den meisten Fällen ein überaktiver Blasenmuskel (Detrusorüberaktivität) vor. Für diese Überaktivität kann nicht immer ein Grund gefunden werden. Möglich ist, dass der Blasenmuskel einer vermehrten Reizanflutung ausgesetzt ist und es dadurch zu Kontraktionen der Harnblase kommt. Aber auch Entzündungen der unteren Harnwege (Harnblase, Harnröhre), bei Männern eine Vergrößerung der Prostata und neurologische Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose) können Auslöser für eine Dranginkontinenz sein.
Die Therapie der überaktiven Blase sowie der nicht-neurogenen und neurogenen Dranginkontinenz ist in weiten Teilen identisch. Es existieren bei der Therapie keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Bei beiden Geschlechtern werden vorwiegend konservative Verfahren eingesetzt. Vor dem Entschluss zu operativem Vorgehen sollte die Ineffektivität konservativer Methoden über einen ausreichend langen Zeitraum (mindestens 3 Monate) gesichert sein.
a) Konservative Therapie
Konservative Methoden haben sich bei mehr als 60 Prozent der Betroffenen als effektiv für die Behandlung von häufigem Wasserlassen (Pollakisurie), nächtlichem Wasserlassen (Nykturie), Drangsymptomatik und Dranginkontinenz erwiesen. Auch die Kombination mehrerer konservativer Ansätze ist bei vielen Patienten erfolgreich. Blasen-, Miktions- oder Toilettentraining können eine Blasenmuskel-Überaktivität als Ursache der Dranginkontinenz zwar nicht beseitigen, aber Inkontinenzfrequenz und -mengen wirkungsvoll reduzieren.
Bei der medikamentösen Therapie werden Substanzen eingesetzt, die Muskarinrezeptoren vom Typ M2 und M3 inhibieren (sog. Muskarinrezeptor-Antagonisten, Anticholinergika). Anticholinergika vergrößern die Blasenkapazität, vermindern die Frequenz der Blasenentleerung während des Tages und der Nacht, reduzieren Drangsymptomatik sowie Inkontinenzepisoden und verbessern so die Lebensqualität spürbar. Insgesamt scheinen alle Muskarinrezeptor-Antagonisten ähnlich wirksam zu sein.
Im Jahr 2012 wurde Mirabegron als neuer Wirkstoff zur Behandlung der überaktiven Blase oder Dranginkontinenz zugelassen, der Noradrenalin-Rezeptoren der Harnblase stimuliert und so den Harndrang unterdrückt sowie die Blasenmuskulatur entspannt. Mirabegron wird in einer Dosis von 50 mg als Tablette einmal täglich eingenommen und ist sehr gut verträglich. Es ist zu beachten, dass Mirabegron den Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen kann, weshalb insbesondere am Anfang der Behandlung Blut- und Pulskontrollen stattfinden sollten.
Mit externer Neurostimulation können mittels Anal- oder Vaginalelektroden blaseninnervierende Nerven elektrisch moduliert und so eine Dranginkontinenz behandelt werden. Hierfür ist eine kontinuierliche Anwendung von 2 x 20 Minuten pro Tag mit einer Stimulationsfrequenz von 10 Hz erforderlich. Zeichen einer Besserung der Drangsymptomatik und Inkontinenz treten bei den meisten Patienten bereits nach zwei- bis dreiwöchiger Behandlung ein und wurden bei bis zu 80 Prozent der Behandelten nach neunmonatiger Therapie dokumentiert.
b) Operative Therapie
Mit Injektionen von Botulinumtoxin in die Harnblasenwand können ungehemmte Kontraktionen des Blasenmuskels und die Reizaufnahme der Harnblase wirkungsvoll unterdrückt werden. Bei dieser Behandlungsmethode werden während einer Blasenspiegelung mit einer Nadel an 20 bis 30 Lokalisationen insgesamt 100 bis 300 Einheiten Botulinumtoxin (Botox®) in die Harnblasenwand injiziert. Über eine Besserung oder sogar Heilung der Dranginkontinenz berichteten sechs Wochen nach den Injektionen nahezu 90 Prozent der Behandelten. Die Wirkung hält für etwa 6 bis 12 Monate an, bevor erneute Injektionen erforderlich werden. Die Kosten für Botulinumtoxin und die Botulinumtoxin-Behandlungen werden von allen Krankenkassen übernommen.
Sollten die genannten Methoden nicht erfolgreich sein, kann mittels Blasenaugmentation die Blasenkapazität vergrößert und der Druck in der Blase gesenkt werden. Es kann entweder ein großer Anteil der Blasenschleimhaut durch Abpräparation des Blasenmuskels freigelegt werden, in dessen Folge sich ein Blasendivertikel bildet (sog. Autoaugmentation), oder Darmanteile nach Detubularisierung auf die Blase aufgenäht werden (sog. Darmaugmentation). In beiden Fällen entsteht ein schlaffer Blasenteil, der durch „Windkessel"-Funktion den durch unwillkürliche Blasenmuskelkontraktionen erzeugten erhöhten Druck in der Harnblase neutralisiert. Die Erfolgsraten liegen unabhängig von der Augmentationsmethode zwischen 50 und 85 Prozent. Allerdings muss etwa die Hälfte der Patienten wegen Restharnbildung postoperativ die Blase durch Einmalkatheterismus entleeren. Die Zystektomie (Entfernung der Harnblase) zur Behandlung der Dranginkontinenz sollte in Deutschland der Vergangenheit angehören.